Am 2. März hatten wir seit langem mal wieder die Gelegenheit, in Präsenz ins Gespräch zu kommen. Aufgrund der erschütternden aktuellen Lage in der Ukraine entschieden wir uns ausschließlich über den Russland-Ukraine-Konflikt zu sprechen. Dazu bestand großer Redebedarf und wir waren uns einig: Diese schrecklichen Geschehnisse stellen jedes andere Thema in den Hintergrund. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins wurde ebenso verurteilt wie die Gemeinsamkeit der EU und der NATO bei der Unterstützung der Ukraine und der Sanktionierung Russlands gewürdigt.
Wir beleuchteten allerdings auch Historie und Entwicklung, die zum Kollaps der Situation geführt hat und adressierten ein breites Spektrum an Themen: Von der Kommunikationsweise des Westens bzgl. der NATO-Ost-Erweiterung, vom Konzept „Wandel durch Annäherung“ unter Willy Brandt und Egon Bahr bis hin zu historischen Wendepunkten sowie der Entwicklung des Spannungsfelds in der Beziehung zwischen Russland und dem Westen einschließlich Deutschlands Rolle.
Wir widmeten uns spannenden Fragen um die zunehmende Moralisierung der Politik, Demokratisierungsprozesse weltweit, die Rolle von Machtpolitik in der deutschen, europäischen und westlichen Außenpolitik und die großen Zusammenhänge zwischen Wirtschafts- und Handelspolitik von politischen Systemen. Natürlich war die Neu-Positionierung der deutschen Verteidigungspolitik ein Thema – vielfach wurde in Beiträgen daran erinnert, dass ein Schutz vor Aggressoren auch der Bereitstellung einer ausreichenden und wirkungsvollen militärischen Abschreckung und Verteidigung bedarf. Dieser Aspekt wurde in Deutschland lange Zeit zu sehr verdrängt. Wichtig ist aber, die jetzt zur Verfügung gestellten Summen sinnvoll einzusetzen und das Beschaffungswesen effizient, transparent und wirtschaftlich aufzustellen.
Das Themenspektrum entwickelte sich in der fortlaufenden Diskussion auch über die lokalen Grenzen des Russland-Ukraine-Konflikts hinaus. Wir hatten einen spannenden Meinungsaustausch über die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Wiedereinführung der Wehr- und Dienstpflicht in Deutschland sinnvoll ist und inwieweit in der Beziehung von Deutschland zu Russland und von Deutschland zu China Parallelen herrschen.
Außerdem diskutierten wir lebhaft zum Sendeverbot von Russia Today und russischen (Propaganda-) Medien sowie zum mit Vorbehalten behafteten, bisweilen aber wenig differenzierten Umgang mit russischen Künstler:innen in der Kulturbranche.
Insgesamt bot der Abend gewinnbringende, bereichernde und interessante Diskussionen. Wir beleuchteten Argumente von unterschiedlichen Blickwinkeln. Jede und jeder konnte offen seine Perspektive und Denkweise in die Diskussion hineintragen und damit die anderen Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer zum Überdenken der eigenen Position anregen – das ist ohnehin unser Grundprinzip beim Liberalen Treff.
Wir Freien Demokraten sind überzeugt, dass Diplomatie jetzt und in Zukunft von unschätzbarem Wert für das friedliche Zusammenleben verschiedener Länder und politischer Systeme ist. Deutschland muss mit seinen Verbündeten Wege finden, um nach (hoffentlich schnellster) Beendigung des Kriegs mit Russland und China zu kommunizieren und Eskalation und militärische Angriffe auf Demokratiebewegungen und friedliche Länder um jeden Preis zu vermeiden, damit nie mehr etwas so Schreckliches wie Krieg in Europa passiert.